Es gibt Momente im Leben, die vergisst man nie.
Das war ein solcher:
Wir trafen uns das erste Mal bei Sue Schell.
Im Wohnzimmer, auf dem Teppich sitzend, spielten Marc Dietrich und ich
Gitarre und zu dritt sangen wir Bob Dylans „The times are changing,“, ein
Lied, das alle drei kannten,
Nomen est Omen. Man schrieb das Jahr 1968.
Zeit des Aufbruchs und der Veränderungen. Und wie sich die Zeiten
ändern würden, das konnte ich nur ahnen, aber ahnen tat ich es
wirklich. Da war etwas in diesem Dreiklang der Stimmen, das mich
derart bewegte, dass mir sofort klar war: Eine weitere Eintagsfliege oder
Vierzehn-Tage-Band würde dieses Trio nicht werden. Dazu musste
man Sorge tragen.
Üben mussten wir schon am Anfang kaum.
Einmal durchsingen und der Dreiklang stand. Deshalb hatten wir in
kürzester Zeit ein Repertoire beisammen.
Im November desselben Jahres, am «Zibelemärit», traten wir das erste Mal an die Öffentlichkeit: Im Saal des Restaurant National in Bern, im Rahmenprogramm des COOP-Freizeitwerkes unter Edith Tolnay-Langer.
Für diesen Anlass brauchten wir auch noch einen Namen. Einfach und schlicht sollte er sein, keine grossen Erwartungen schüren, keine Show vorgaukeln, die wir nicht bieten konnten und wollten. Nach unseren Vorbildern «Peter, Paul and Mary" deren Lieder wir nachsangen, nannten wir uns «Peter, Sue & Marc». Pesche, Susle u Märsu, das wollten wir sein, uns selbst - nicht mehr, und auch nicht weniger.
Bald darauf erschien im «Zytglogge Verlag»
die erste Schallplatte. „Folksongs“
hiess sie und enthielt neben bekannten Liedern auch schon erste Eigenkompositionen.
Wir merkten bald einmal, dass mit Nachsingen allein kein Staat zu machen
war, dass wir eigene Lieder brauchten. So begann ich, was schon als
kleiner Bub meine Lieblingsbeschäftigung gewesen war, am Klavier und
an der Gitarre Lieder zu schreiben, nur diesmal viel gezielter für
unsere drei Stimmen.
Mit dem Chanson „Les illusions
de nos vingt ans“ vertraten wir die Schweiz 1971 in Dublin erstmals
an einem „Concours Eurovision“. Wenn auch nur im Mittelfeld plaziert,
gefiel das Lied unseren „compatriotes“ trotzdem besonders gut. Bald
kurvten wir mit Marcs altem VW-Käfer, Gitarre und Musikanlage auf
den Sitzen - Sue und ich irgendwo dazwischen eingeklemmt - quer durchs
Welschland. Fast an jeder „Hundsverlochete“ traten wir auf.
Unsere Karriere hatte bei den „Romands“ längst begonnen, als uns in
der Deutschschweiz noch kaum jemand kannte.
Das änderte sich erst, als die ersten deutschsprachigen
Singles erschienen. Lieder wie Ein neuer Tag und Zigeuner wurden
im damaligen «Radio Beromünster. hinauf- und hinuntergespielt.
Die Unterstützung der Musikredaktoren war gewaltig.
Isbald wurde es in Marcs VW-Käfer noch enger,
weil Sues belgische Schäferhündin das Trio zum Quartett erweiterte.
Auf den Hund gekommen, nannte man uns nun etwa auch "Peter, Sue Hund Marc,
denn "Betsy" die pechschwarze Hündin, war als Maskottchen immer dabei.
Dass sie ihre Verpflichtungen durchaus ernst nahm,
bewies sie an einem Auftritt, als sie aus der Garderobe entwichen, just
in dem Moment bei uns auf der Bühne erschien, als wir die Zeile „pechschwarzes
Haar flattert lustig im Wind“ aus dem Lied „Zigeuner“
sangen. Sie hatte die Herzen des Publikums sofort erobert.
In diese Zeit fällt auch der Beginn meiner Zusammenarbeit
mit dem Hamburger Rolf Zuckowski, mit dem ich später noch viele Titel
und auch einige Hits schreiben sollte, nicht nur für das Trio, auch
für andere Leute.
Rolf, heute bekannt und beliebt in Deutschland als
"Rolf und seine Freunde“ mit seinen unzähligen Veröffentlichungen
für Kinder, anerbot sich, uns über Nacht einen Text zu schreiben,
als wir im Studio in Hamburg nicht mehr weiter wussten, Sein Vorschlag
gefiel uns, und aus dieser Zusammenarbeit wurde eine schöne Freundschaft.
Weil Rolf damals eher textlich und ich eher musikalisch orientiert war,
ergänzten wir uns als Autoren-Team besonders gut.
Man kann sich über Sinn und Unsinn, Qualität oder das Fehlen derselben des «Grand Prix Eurovision" streiten. Unbestritten ist die Publicity, die damals dieser Wettbewerb mit sich brachte. Gerade für Interpreten eines kleinen Landes wie der Schweiz, wo Schallplatten fast nur importiert, aber kaum eigene Künstler aufgebaut wurden, war es damals fast die einzige Möglichkeit, einem Millionen-Publikum vorgestellt zu werden und möglicherweise den Sprung über die nationalen Grenzen hinweg zu schaffen,
1976 gelang es dem Trio zum zweiten Mal, die nationaler
Ausscheidung für den "Grand Prix Eurovision» zu gewinnen.
In Den Haag belegten wir mit dem Titel Djambo Djambo den vierten Platz.
Das Lied vom alten Clown wurde unser erster Verkaufshit in der Schweiz,
Bis es aber so weit war, verbrachte ich einige schlaflose Nächte,
nicht wegen Lampenfieber, sondern wegen de Drehorgel, die ich als Show-Element
ins Lied eingebaut hatte. Ein Bekannter hatte sie mir besorgt.
Die gestanzten Bänder, die in solche Orgeln eingelegt werden, um die
Luftzufuhr zu den Pfeifen zu steuern, musste ich aber selbst fabrizieren.
Tagsüber war ich mit dem Trio unterwegs und nächtlicherweise
erlernte ich dieses neue Stanz-Handwerk.
Mit dem Erfolg klopfte auch das Schweizer Fernsehen
an unsere Tür. Vom Frühling 1976 an moderierte ich mit Sue und
Marc zusammen die Sendung «Das Fernseh-Kleintheater» und später
den «Szenenwechsel». Während Jahren hatten wir Gelegenheit,
musikalische Gäste aus der ganzen Weit einzuladen und sie dem Schweizer
Publikum vorzustellen. Wir selbst sangen eigene Songs, erweiterten
unser Repertoire aber mit Liedern wie
Simelibärg, Gute Nacht Freunde und Sag mir
wo die Blumen sind.
Drehort dieser Sendung war ein schöner alter Keller einer Fasnachts-Clique in der Basler Altstadt. Daselbst habe ich dann auch mein Herz an eine junge Baslerin verloren, die im Publikum sass. An einer der ersten Sendungen stürmte ich etwas verspätet die vollbesetzte Kellertreppe hinunter und stiess mit meinem kleinen Koffer unsanft gegen den Blondschopf einer Zuschauerin. Sie blitzte mich aus blauen Augen zornig an. Mir verschlug es derart die Sprache, dass ich mich erst nach der Sendung so richtig entschuldigen konnte. Da hatte ich aber längst Feuer und Flamme gefangen, und auf die Frage, ob ich es denn mit einem Essen oder mit einem Blumenstrauss wieder gutmachen könne, meinte meine zukünftige Frau mit baslerischer Schlagfertigkeit: «Am beschte mit baidem»!
Die erste englische LP auf eigenem Label machte uns den Schritt ins Profilager möglich. Wir hatten bereits acht Jahre zusammen gesungen, als wir unsere bürgerlichen Berufe an den Nagel hängen konnten. Während sich Marc in den kommenden Jahren vorwiegend um Konzerte und Galaauftritte des Trios kümmerte, betreute ich die Schallplattenproduktion.
Mit Moby Dick, einem
engagierten Antiwalfang-Song, hatten wir auch einen ersten grösseren
Erfolg im Ausland. In den kanadischen Radiostationen war er wochenlang
einer der meistgespielten Titel. (Hier einige Pressestimmen
aus jener Zeit !)
So richtig los ging es dann aber erst ein Jahr später
mit Cindy unserem ersten grossen Hit in Deutschland,
der auch in anderen Ländern, z. B. in Südafrika in den Top Ten
landete. Auch Memory Melody wurde international
veröffentlicht. Einladungen ins Ausland, die für einen
grossen internationalen Erfolg wichtig gewesen wären, folgten wir
nur ungern. Nach Südafrika etwa, weigerten wir uns zu gehen,
weil wir vor Schwarzen und Weissen getrennt hätten singen müssen,
und auch die Promoarbeit in Deutschland hielten wir auf Sparflamme - zum
Leidwesen unserer deutschen Schallplattenfirma.
Marc hatte eine Familie. Aber auch Sue und
ich zogen es vor, zu Hause schlafen zu können, als monatelang in fremden
Ländern herumzutingeln und in Hotels zu logieren, Diesen Verzicht
auf mehr Auslandpräsenz konnten wir uns aber nur leisten, weil wir
genügend Auftritte in der Schweiz hatten.
Einen Einblick in das gestresste Jetsetter-Leben
erhielten wir nach unserer erfolgreichen Eurovisionsteilnahme, wiederum
in Dublin, 1981 , als wir beinahe auf dem ersten Platz gelandet wären!
lo senza te wurde ein grosser Erfolg und europaweit
veröffentlicht. Wir standen für Radio-Interviews und TV
auf Abruf zur Verfügung.
Der verrückteste Tag sah so aus: Gefrühstückt
wurde noch in Rom, wo wir am Vorabend an einer Fernsehsendung mitgewirkt
hatten. Mittagessen gab's dann in Zürich, weil Paris wegen eines
Streiks von Rom aus nicht direkt angeflogen werden konnte. Vom Flughafen
„Charles de Gaulle" aus , ging's im Eiltempo in einer Limousine vor die
Kameras einer französischen TV-Station ausserhalb von Paris, wo wir
in 3 Minuten unser Lied loswerden mussten. Kurz darauf sassen wir
wieder im Jet nach Genf, weil wir am nächsten Tag noch einen Auftritt
in der Schweiz hatten. Nach dem Abendessen in Genf und weiteren Besprechungen
fuhren wir nachts noch nach Bern zurück. Alles an einem Tag.
Für einen gemütlichen Berner, der von maximal 7 Knoten Geschwindigkeit
- vor dem Wind - träumt, die Vorstufe zur Hölle.
Reisen konnte aber auch Spass bedeuten, besonders
wenn das Reiseziel Tokyo, "World Popular Song Festival“ hiess. Dreimal
wurden wir zu diesem Monster-Anlass eingeladen und konzertierten jeweils
vor 20'000 Zuschauern. Eine Art Kinderlied, das ich für diesen
Wettbewerb schrieb, ist mit dem "Outstanding Composition Award“ausgezeichnet
worden und heute in zahlreichen japanischen Liederbüchern zu finden.
Es ist meine erfolgreichste Komposition,
Mit Bye bye friends
und einer grossen Tournee verabschiedeten wir uns Ende 1981 von unserem
Publikum. Seit 1976 waren jedes Jahr 2 LPs erschienen, Unsere Singles
hatten ununterbrochen die Charts bevölkert. Hits wie Tom
Dooley, Scotty Boy, Jerusalem, Charlie Chaplin sangen wir an rund
1 000 Konzerten. An über 100 Fernsehsendungen hatten wir mitgewirkt.
Nun wollte jeder von uns, Sue Schell, Marcel Dietrich
und auch Peter Reber noch sein eigenes Leben leben. Ich hatte in
diesen wilden Jahren kaum je Ferien gemacht, weil ich in der "Trio-Freizeit»
entweder Lieder für neue Produktionen schrieb und arrangierte, oder
für andere Interpreten als Autor oder Produzent tätig war.
Ich wollte nicht mehr nur von Steamboats, Diesel
Mamas, Moby Dick, Columbus und was es dergleichen alles an interessanten
Dingen und schönen Destinationen in der Welt gab, singen, ich wollte
dies alles auch selbst einmal erleben.
Mein lang gehegter Wunschtraum, mit einem kleinen
Segelschiff über die Weltmeere zu schippern - bis die Ebbe in der
Bordkasse mich wieder zu einem bürgerlichen Leben zurückrufen
würde - diesen Wunsch wollte ich mir und Livia nun endlich erfüllen.
Dass ich dereinst selbst wieder solo mit Dialektliedern über meine
Reiseerlebnisse berichten würde, davon hatte ich damals noch keine
Ahnung. Noch weniger wusste ich, dass unsere Hochzeitsreise sieben
Jahre dauern würde.
Nach 1000 Konzerten der letzte Auftritt: Tele-Boy
Sylvestersendung 1981
Hier können Sie die Tonträger von Petert, Sue und Marc sowie Peter Reber bestellen - auch Occasionen !